Xploit:s 

von Arbeit, Entfremdung und Respekt


von Christiane Mudra



URAUFFÃœHRUNG
22. November 2024, 19.30 Uhr
weitere Vorstellungen:
24. November, 18 Uhr
27.-30. November, 19.30 Uhr
1. Dezember, 18 Uhr

im ehemaligen Kaufhaus am Stachus

Tickets
Achtung 3 Anfangszeiten: 19:00/19:20/19:40h



„Ich weiß nicht, was ist, wenn ich in Deutschland einen Unfall habe. Aber ich bin ja hier, um zu arbeiten, nicht um krank zu werden.“

Im reichen Deutschland sind Schwarzarbeit, die Unterschreitung des Mindestlohns oder Lohnraub in vielen Berufsfeldern gängige Praxis.
Das Arbeitsrecht wird vielfach mittels intransparenter Subunternehmerketten, Werkverträge und sogenannter „Entsendungen“ ausgehebelt.
Der Unterbietungswettbewerb wird oft auf den Rücken vulnerabler Arbeitskräfte ausgetragen, Arbeit in eine kolonial anmutende Strategie verwandelt, durch die überwiegend ausländische oder migrantische Arbeitnehmer*innen ausgebeutet werden.

Regisseurin und Autorin Christiane Mudra nimmt in ihrer neuen Produktion „XPLOIT:S“ den Niedriglohnsektor des deutschen Arbeitsmarkts ins Visier.

 Regisseurin und Autorin Christiane Mudra nimmt in ihrer nuen Produktion „XPLOIT:S“ den Niedriglohnsektor des deutschen Arbeitsmarkts ins Visier.

Ãœber Xploit:s

Im Zentrum stehen Beschäftigte in den Bereichen Reinigung, Essenslieferung und Seniorenbetreuung. Jene Dienstleister*innen also, die den Kund*innen alltäglich das Leben erleichtern, ungeliebte Aufgaben abnehmen, ihnen Freizeit, Komfort, ‚Me-Time‘ verschaffen.
Während einer intensiven Langzeitrecherche hat Christiane Mudra zahlreiche Interviews mit den Beschäftigten selbst, aber auch Hintergrundgespräche mit Beratungsstellen, Gewerkschaftsvertreter*innen und Jurist*innen geführt sowie aus O-Tönen und Hintergrundinformationen eine Textfassung montiert.

„Ausbeutung ist die Basis unserer Wohlstandsgesellschaft.“

Woran bemisst eine Gesellschaft das Ansehen von Berufen? Warum erfahren Dienstleister*innen in diesen unverzichtbaren Berufsfeldern so wenig Wertschätzung?
Wie bewerten die Arbeiter*innen selbst ihre Arbeits- und Lebensbedingungen?
Was denkt der Lieferant, der bei Minusgraden vor dem Restaurant auf die Bestellung warten muss? Wie fühlt sich die Reinigungskraft, die unter Mindestlohn verdreckte Hotelzimmer im Akkord putzt?
Welche Abhängigkeit verursacht die Koppelung der Arbeitsstelle an Unterkunft und Aufenthaltserlaubnis, wie dies etwa bei den sogenannten „Live-Ins“ der Fall ist?
Und wo beginnt Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung?

Im Verborgenen

Angesichts zunehmend verwaister Innenstädte durch den Onlinehandel und die Immobilienpleite der Signa-Gruppe um den Finanzjongleur René Benko führt „XPLOIT:S“ das Publikum hinter die Kulissen von Glitzervitrinen und Konsumversprechen ins Untergeschoss des ehemaligen Kaufhofs am Stachus. Vier Performer*innen zeigen die Realitäten, die im Alltag kaum jemand sehen will.
Der Abend lässt jene zu Wort kommen, die gleichsam unter dem Radar, nachts und im Verborgenen arbeiten, bei Kontrollen verschwinden, nach Unfällen weggeschafft und im Alltag ignoriert werden.
Der Abend rückt die Perspektive der Arbeiter*innen in den Fokus, zeigt strukturelle Probleme auf und benennt Schutzlücken.

„Das ist eine Reinigungskraft, die einen knüppelharten Job hat, schlecht bezahlt wird und die Fäkalien deiner Kollegen wegmacht. Da erwarte ich Respekt.“

In einer Zeit, in der Migrant*innen zunehmend und parteiübergreifend als soziale Belastung diffamiert werden, erinnert der Abend auch daran, dass ausländische Arbeitskräfte maßgeblich daran beteiligt sind, den deutschen Wohlstand zu schaffen und zu sichern: Von den „Gastarbeiter*innen“ der 60er Jahre über die ausländischen oder migrantischen Arbeitnehmer*innen heute und angesichts des demographischen Wandels in noch viel höherem Maße perspektivisch.

„XPLOIT:S“ klärt über die genannten Arbeitsumstände auf und macht die Menschen hinter der Dienstleistung sichtbar, um zu Empathie, Wertschätzung und einem solidarischen Miteinander beizutragen.

Nach „SELFIE & ICH“ (2022), einem Abend über psychische Erkrankungen, Leistungsgesellschaft und Glücksterror und „HOTEL UTOPIA“ (2023), einem interaktiven Gesellschaftsspiel über Grenzen, Bürokratie und den Wert von Pässen ist „XPLOIT:S“ der dritte Teil von Christiane Mudras Trilogie mit dem Titel „How much am I?“, in der sie sich mit der die sich mit der De-Facto-Bewertung von Menschen in der "Wertegemeinschaft" auseinandersetzt. 

Theater mit Potenzial, Verhalten zu ändern

Die Münchner Theatermacherin ist bekannt für ihre intensiven Recherchen, die ihren dokumentarischen Arbeiten vorangehen. Sie widmet sich unbequemen Themen, solchen, die auch wehtun in der bürgerlichen Komfortzone. (…)
Der Abend hat das Potenzial, Verhalten zu ändern. Selbst, wenn man nicht unmittelbar betroffen ist. Die Wahrnehmung ist danach eine andere.
Derartige Fälle gehören zum Recherchematerial von Christiane Mudra. Die Stimmen von unmittelbar Betroffenen, die sie interviewt hat, bindet sie in ihre Produktionen ein, auch Informationen aus den Medien oder von Institutionen sammelt sie. Das Ergebnis ist stets ein umfangreiches Programmheft – und eben ein nach der passenden Form suchender Theaterabend.
(…) Atmosphärisch hätte [der ehemaligen Kaufhof am Stachus] kaum passender sein können. Die Wände und die Böden sind gefliest, abwaschbar praktisch. Kabelschächte verlaufen an den Decken, Europaletten und Baugerüste dienen als Zuschauertribünen. Tageslicht, Gemütlichkeit, Wohlfühlcharakter – Fehlanzeige.
(…) Ivona Baković, Sebastian Gerasch und Edith Konrath (…) sind Reinigungsfachkräfte, auch mal ihre Manager, später Rider, dann Pflegerinnen und Pfleger. (...) In allen drei Berufsfeldern sind die Muster ähnlich elend, sie sich so geballt vor Augen zu führen, sollte ab der Mittelschicht verschrieben werden.

Yvonne Poppek, Süddeutsche Zeitung, 27. November 2024


"Medizin ist eine Ware, der Mensch ist verwertbar." 

Christiane Mudras Stück Xploit:s in München. Thema: Der Niedriglohnsektor und seine prekären Arbeitsverhältnisse. Zu sehen im Untergeschoss des ehemaligen Kaufhauses am Stachus. Vier PerformerInnen berichten aus der Perspektive von AltenpflegerInnen, Reinigungskräften und Essenslieferanten und demaskieren das System der Ausbeutung überwiegend migrantischer ArbeitnehmerInnen.


3sat Kulturzeit, 26. November 2024


Mich hat das Ausmaß dieser Arbeitsverhältnisse erschreckt, die sich zumindest in einem Graubereich bewegen (...) Und für mich war wirklich sehr berührend, was die ArbeitnehmerInnen selbst gesagt haben, die oft sehr klare Analysen der Gesellschaft oder der Gesamtsituation in Deutschland haben.


Christiane Mudra im Interview mit BR Zündfunk, 22. November 2024

“Christiane Mudra hat sich einen Ort in den Eingeweiden der früheren Kaufhof-Filiale am Stachus für ihr neues Projekt gesichert. (…) Sie hat aufwändig recherchiert (…) und mit Betroffenen gesprochen, von denen einige mit O-Tönen und Videoaufzeichnungen präsent sind. (…)

Mit jedem neuen Statement und jeder weiteren unglaublichen Statistik teilen die Zusehenden mehr und intensiver den ohnmächtigen Zorn, der die Münchner Theatermacherin und ihr Team antrieb.

Die toxischen Arbeitsverhältnisse (…) sind, so ist der Befund, bundesrepublikanischer Alltag."

.

Mathias Hejny, ABENDZEITUNG, 25. November 2024


Credits

Konzept, Recherche, Text und Regie:
Christiane Mudra


Mit Ivona Baković, Sebastian Gerasch, Kathrin Knöpfle und Edith Konrath 

im Video: Daniela Gancheva, Lea Geszti, Gabriele Graf, Melda Hazırcı, Waki Meier, Murali Perumal


Bühne: Julia Kopa
Kostüm: Sarah Silbermann
Licht Design und Technische Leitung: Peer Quednau
Mitarbeit Recherche: Agata Kaplon-Marx

Video Design: Yavuz Narin
Produktion: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro
Produktion und Abendtechnik: Uli Zentner
Regieassistenz: Luca Lehnert
Grafik: Jara López Ballonga

Fotos: Verena Kathrein
PR: Simone Lutz
Social Media: Casey Tower

Eine Produktion von
Christiane Mudra / investigative theater 

gefördert durch die Optionsförderung der Landeshauptstadt München.