freiheit.exe
Utopien als Malware
von Christiane Mudra

URAUFFÜHRUNG22. November 2025, 19.00 Uhr |
Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein.*
In freiheit.exe laden Christiane Mudra und das Team von investigative theater ihr Publikum zu einer Begegnung mit den Ideologien des Silicon Valley ein. Unterstützt von O-Töne und Theorien von Tech-Broligarchen und Philosophen wie Peter Thiel oder Nick Land werden die Zuschauer*innen zu Potenzialträger*innen, die die Zukunft gestalten. Eine Zukunft, in der der Tod Vergangenheit ist, der Mensch sich von seinen biologischen Ketten befreit hat. Eine Zukunft mit unbegrenzten Möglichkeiten in einem grenzenlosen Universum. Totale Freiheit eben.
Wir werden Museen, Bibliotheken und Akademien aller Art zerstören, den Moralismus, den Feminismus und jede opportunistische oder utilitaristische Feigheit bekämpfen.*
Aber lieben wir sie nicht auch - die Bequemlichkeit, die Bestätigung durch Herzchen und Likes, die übersättigt-normierten Bilder, die von Erfolg, Makellosigkeit und Fitness zeugen?
Mit fünf Performer*innen zeigt Christiane Mudra Linien von den italienischen Futuristen zu den Tech-Feudalisten, von Tolkien zur PayPal-Mafia und von neoliberalen Think Tanks zur Schuldenbremse auf. Erzählt wird von den ersten Programmiererinnen und der Eroberung des Alls, von nationalen Christen, Pronatalisten und Sonderwirtschaftszonen, von Philanthropen und rechten Edgelords. Welche Menschen- und Gesellschaftsbilder, welche Zukunftsvisionen prägen das Denken derer, die unsere Technologien entwerfen?
Wir leben bereits im Absoluten,
denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.*
Der transatlantische Transfer der Ideologien und Tech-Visionen funktioniert dabei glänzend – und zwar in beide Richtungen. Anfang des 20. Jahrhunderts träumten die italienischen Futuristen ihre autoritär-technoiden Träume von Zerstörung und Geschwindigkeit. Die Beschleunigung ist auch den Tech Bros des 21. Jahrhunderts, die sich als Künstler, Priester, Genies gerieren, machtvolles Werkzeug. Im vermeintlich alternativlosen Wettlauf um Innovation und Monopolstreben scheint keine Zeit für Reflexion zu bleiben. Die Technik hat die Nase vorn. Und mit ihr die Visionen ihrer Schöpfer.
Warum sollten wir zurückblicken,
wenn wir die geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufbrechen wollen?*
Die alten Erzählungen von Drachentötern und siegreichen Helden finden in der schönen, neuen Welt ebenso ihren Platz wie die Eroberung des Weltalls als Lebensraum für kommende Generationen. Die digitale Kolonisierung folgt dabei dem altbekannten Muster: White Supremacy forever. Unser Herrschaftswissen, unsere Filter formen auch morgen die Realität. Eine Realität frei von staatlicher Kontrolle, in der sich Kapital und Technologie ungehindert ausbreiten können – die Welt, ein Unternehmen. Das Staatsoberhaupt, ein CEO.
Aufrecht auf dem Gipfel der Welt
schleudern wir unsere Herausforderung den Sternen zu!*
Was wie ein nerdiger Daueramoklauf durchgeknallter Tech-Priester klingt, ist längst in Gesellschaft und Politik angekommen: Akzelerationismus, Transhumanismus, Singularitarismus, effektiver Altruismus, Longtermismus. Mit alarmistischen Szenarien und verführerischer PR werden Technologien als allumfassendes Erlösungsmittel verkauft.
freiheit.exe beleuchtet die mitgelieferte Malware.
* alle Zitate aus Filippo Tommaso Marinetti: Das Manifest des Futurismus, 1909

Credits
Konzept, Recherche, Text und Regie:
Christiane Mudra
Mit Ivona Baković, Sebastian Gerasch, Edith Konrath, Waki Meier, Corinna Ruba, Murali Perumal
Reporterin und dramaturgische Mitarbeit: Sylke Gruhnwald
Raum: Julia Kopa
Kostüm: Sarah Silbermann
Komposition: Dariya Maminova
Video: Yavuz Narin
Lichtdesign und technische Leitung: Peer Quednau
Grafik: Jara López Ballonga
Fotos: Verena Kathrein
Produktionsleitung: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro
Regieassistenz: Alessandra Giuriola
PR: Simone Lutz
Social Media: Casey Tower
Eine Produktion von
Christiane Mudra / investigative theater
gefördert durch die Optionsförderung der Landeshauptstadt München.

