SELFIE & ICH
Psychische Erkrankungen, Leistungsgesellschaft
und Glücksterror
von Christiane Mudra
URAUFFÃœHRUNG
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SELFIE & ICH basiert auf investigativer Recherche sowie auf Gesprächen mit Menschen, die mit einer psychischen Erkrankung leben und gewährt Einblick in ihre Erfahrungen, Gefühle und Wünsche. Eine Patientenakte aus den Jahren 1939 bis 1984 veranschaulicht zudem die umkämpften Reformbestrebungen in Deutschlands Psychiatrien sowie Stigmatisierung und Scham im direkten Umfeld der Betroffenen. Der Abend klärt über psychische Belastungen auf, untersucht Vorurteile und Berührungsängste und hinterfragt die omnipräsente Bewertung von Individuen anhand ihrer privaten und beruflichen "Performance". SELFIE & ICH seziert das Spannungsfeld zwischen Schein und Sein und beleuchtet nicht zuletzt die systemische Deformation unserer leistungsorientierten Gesellschaft. |
Das Publikum bewegt sich in Kleingruppen durch mehrere Wohnungen in Haidhausen, in denen Performer*innen Angststörungen, Burnout, Depression, Magersucht, Schizophrenie und Alkoholabhängigkeit erlebbar machen.
Das intime Setting lässt Vereinsamung und Isolation von Großstadtbewohner*innen hinter den Fassaden der Leistungsgesellschaft erspüren.
Durch 3D-Audio-Aufnahmen werden interviewbasierte Gedankenströme der Protagonist*innen räumlich in abgebildet: Die Stimmen umkreisen die Zuschauer*innen hautnah und ermöglichen es ihnen, in die Rolle der Ich-Erzähler*innen zu schlüpfen.
Kontrastiert wird dieser Effekt durch O-Töne der Interviewpartner*innen sowie psychoakustische Mittel. Über Sitzflächen oder Gegenstände wird Schall punktuell auch körperlich übertragen und löst unwillkürlich eine physische Reaktion der Teilnehmer*innen aus.
Etwa 27,8 % der Erwachsenen in Deutschland sind jährlich von mindestens einer psychischen Erkrankung betroffen. Das entspricht 17,8 Millionen Personen.
Zu den häufigsten Erkrankungen zählen Angststörungen, gefolgt von Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen.
WHO-Hochrechnungen zeigen, dass in den einkommensstärksten Ländern im Jahr 2030 drei Viertel der Krankheiten, die die Lebensqualität am stärksten beeinträchtigen, psychische sein werden.
Gleichzeitig ist unsere Gesellschaft von einer entgrenzten Positivität geprägt, die den Druck auf das Individuum erhöht.
Glück ist zum Statussymbol geworden, das strahlende Lächeln zur Norm.
In Social-Media-Posts wird das inszenierte Leben als Erfolgsprodukt präsentiert. Bewertungsmodelle beeinflussen den "Selbstwert" rund um die Uhr und verfälschen die Realität. Der Terror des Positiven spiegelt sich in Glücks-Mantren auf Tees, Duschgels oder Küchenrollen.
In der NS-Zeit galten nicht arbeitsfähige Menschen als „unwertes Leben“. Noch immer ist von alten oder kranken Menschen zu hören, sie seien nichts mehr wert. Heute sind in psychosomatischen Kliniken auch zahlreiche "High-Performer*innen" anzutreffen.
Welche Rolle spielen Arbeitsleistung und soziale Normen für Selbstwert und die gesellschaftliche Bewertung von Menschen?
Jeder dritte Mensch in Deutschland ist im Laufe seines Lebens von einer psychischen Erkrankung betroffen.
Vor diesem Hintergrund will "Selfie und ich" Betroffene zu Wort kommen lassen, um über psychische Erkrankungen aufzuklären, Empathie zu fördern, Vorurteile abzubauen und Berührungsängste aufzulösen.
Das Ziel des Abends ist es letztendlich, für eine inklusivere, sozialere Gesellschaft und eine menschlichere, recovery-orientierte Psychiatrie einzutreten.
Credits
Recherche, Text und Regie: Christiane Mudra
Mit
Gabriele Graf
Sebastian Gerasch
Melda Hazırcı
Murali Perumal
Weitere Sprecher*innen: Stefan Lehnen, Christiane Mudra
3D Sound Design: Martin Rieger
Fachberatung und Mitarbeit Recherche Tina Hofmann
Ausstattung: Sarah Silbermann
Körperschall und Licht Design: Peer Quednau
CGI/VFX: Yavuz Narin
Grafik: Jara López Ballonga
Fotos: Verena Kathrein
Regieassistenz: Daniela Gancheva
Produktion: ehrliche arbeit - freies Kulturbüro
Presse: Kathrin Schäfer KulturPR
Uraufführung gefördert von
im Rahmen der Optionsförderung
Berlin-Premiere unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ Gastspielförderung
Theater, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien, sowie den Kultur- und Kunstministerien der Länder
sowie vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München und der Schulze-Fielitz-Stiftung.
in Kooperation mit