freiheit.exe 

Utopien als Malware


von Christiane Mudra



URAUFFÜHRUNG
22. November 2025, 19.00 Uhr 
weitere Vorstellungen:
23. November, 18 Uhr
25.-29. November, 19 Uhr 
30. November, 18 Uhr

whiteBOX München


Tickets ab 15.10.25



 Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein.*

In freiheit.exe laden Christiane Mudra und das Team von investigative theater ihr Publikum zu einer Begegnung mit den Ideologien des Silicon Valley ein. Unterstützt von O-Töne und Theorien von Tech-Broligarchen und Philosophen wie Peter Thiel oder Nick Land werden die Zuschauer*innen zu Potenzialträger*innen, die die Zukunft gestalten. Eine Zukunft, in der der Tod Vergangenheit ist, der Mensch sich von seinen biologischen Ketten befreit hat. Eine Zukunft mit unbegrenzten Möglichkeiten in einem grenzenlosen Universum. Totale Freiheit eben.

Totale Freiheit

Wir werden Museen, Bibliotheken und Akademien aller Art zerstören, den Moralismus, den Feminismus und jede opportunistische oder utilitaristische Feigheit bekämpfen.*


Aber lieben wir sie nicht auch - die Bequemlichkeit, die Bestätigung durch Herzchen und Likes, die übersättigt-normierten Bilder, die von Erfolg, Makellosigkeit und Fitness zeugen?
Mit fünf Performer*innen zeigt Christiane Mudra Linien von den italienischen Futuristen zu den Tech-Feudalisten, von Tolkien zur PayPal-Mafia und von neoliberalen Think Tanks zur Schuldenbremse auf. Erzählt wird von den ersten Programmiererinnen und der Eroberung des Alls, von nationalen Christen, Pronatalisten und Sonderwirtschaftszonen, von Philanthropen und rechten Edgelords. Welche Menschen- und Gesellschaftsbilder, welche Zukunftsvisionen prägen das Denken derer, die unsere Technologien entwerfen?


Wir leben bereits im Absoluten,
denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.*


Der transatlantische Transfer der Ideologien und Tech-Visionen funktioniert dabei glänzend – und zwar in beide Richtungen. Anfang des 20. Jahrhunderts träumten die italienischen Futuristen ihre autoritär-technoiden Träume von Zerstörung und Geschwindigkeit. Die Beschleunigung ist auch den Tech Bros des 21. Jahrhunderts, die sich als Künstler, Priester, Genies gerieren, machtvolles Werkzeug. Im vermeintlich alternativlosen Wettlauf um Innovation und Monopolstreben scheint keine Zeit für Reflexion zu bleiben. Die Technik hat die Nase vorn. Und mit ihr die Visionen ihrer Schöpfer.

Alte Muster

Warum sollten wir zurückblicken,
wenn wir die geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufbrechen wollen?*


Die alten Erzählungen von Drachentötern und siegreichen Helden finden in der schönen, neuen Welt ebenso ihren Platz wie die Eroberung des Weltalls als Lebensraum für kommende Generationen. Die digitale Kolonisierung folgt dabei dem altbekannten Muster: White Supremacy forever. Unser Herrschaftswissen, unsere Filter formen auch morgen die Realität. Eine Realität frei von staatlicher Kontrolle, in der sich Kapital und Technologie ungehindert ausbreiten können – die Welt, ein Unternehmen. Das Staatsoberhaupt, ein CEO.


Aufrecht auf dem Gipfel der Welt
schleudern wir unsere Herausforderung den Sternen zu!*



Was wie ein nerdiger Daueramoklauf durchgeknallter Tech-Priester klingt, ist längst in Gesellschaft und Politik angekommen: Akzelerationismus, Transhumanismus, Singularitarismus, effektiver Altruismus, Longtermismus. Mit alarmistischen Szenarien und verführerischer PR werden Technologien als allumfassendes Erlösungsmittel verkauft.
freiheit.exe beleuchtet die mitgelieferte Malware.


* alle Zitate aus Filippo Tommaso Marinetti: Das Manifest des Futurismus, 1909


„Nicht nur Deutschland hat sich in puncto Digitalität in die Abhängigkeit von großen US-Tech-Konzernen begeben…Die Frage, wer denn die Macht demnächst in der Hand hält, die (nicht-gewählten) Tech-Konzerne oder die Politik, scheint kaum abwegig zu sein.Den Finger in diese Wunde legt die Münchner Theatermacherin Christiane Mudra mit ihrer Produktion „freiheit.exe“.
(...)
Es bleibt „das Staunen darüber zurück, wie groß das Netzwerk ist, wie viele Verknüpfungen existieren. Und man wundert sich, warum wir nicht intensiver daran arbeiten, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der man auch künftig leben mag.“

Yvonne Poppek, Süddeutsche Zeitung, 25.11.25

Christiane Mudra, die Gründerin des „investigative theater“, hat sich für ihre journalistische Langzeitrecherche zum Projekt „freiheit.exe – Utopien als Malware“ tief in die visionäre Gedankenwelt der Macher aus dem Silicon Valley gegraben und aus deren kruden, leider auch hierzulande viele überzeugenden Hirngespinsten eine verstörende Performance entwickelt.
(…) Aus Zitaten des „Vordenkers“ Nick Land oder des Libertären Peter Thiel, Gründer von PayPal, destilliert Christiane Mudra (Text und Regie) eine krude Mixtur aus reaktionären und vermeintlich progressiven Gedanken, die aus Quellen wie Faschismus, Klassismus und Rassismus schöpfen, um die gleichgeschaltete Masse Mensch den neuen „Übermenschen“ unterzuordnen.
Dazu werden KI-generierte Filmsequenzen auf die Screens projiziert, Bilder aus Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ – allerdings starren die im Gleichschritt marschierenden dunklen Gestalten alle auf ihr Handy. Doch auch unsere gesellschaftspolitische Gegenwart wird nicht ausgespart, wenn es beispielsweise um die Schuldenbremse geht oder das Überwachungsinstrument Palantir kritisch auf den Prüfstand kommt.

Barbara Reitter-Welter, Donaukurier, 25.11.25


Credits

Konzept, Recherche, Text und Regie:
Christiane Mudra


Mit Ivona Baković, Sebastian Gerasch, Edith Konrath, Waki Meier, Corinna Ruba, Murali Perumal 


Raum: Julia Kopa
Kostüm: Sarah Silbermann
Video: Yavuz Narin 

Komposition: Dariya Maminova
Reporterin: Sylke Gruhnwald
Lichtdesign und technische Leitung: Peer Quednau

Regieassistenz: Alessandra Giuriola
Produktionsleitung: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro

Grafik: Jara López Ballonga
PR: Simone Lutz
Social Media: Casey Tower

Eine Produktion von
Christiane Mudra / investigative theater 

gefördert durch die Optionsförderung der Landeshauptstadt München.

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